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Gottes Mathematik und was das mit unserem Bild von Kirche zu tun hat

Gottes Mathematik geht so:
Nicht 200 Silbergroschen, sondern noch viel weniger, nämlich fünf Gerstenbrote und zwei Fische reichten... 

"Die Speisung der 5000"  ist ein Wunder, das in der Bibel sechsmal und eigentlich siebenmal erzählt wird, in dem steckt etwas, das wichtig ist. Alle vier Evangelien haben die Speisung der 5000 aufgenommen, Matthäus und Markus haben sogar noch eine zweite Variante der Speisung der 4000 hinzugefügt. Im 2. Buch der Könige (Kap 4, 22-44) gibt es eine ähnliche Wundergeschichte: Hier macht der Prophet Elisa 100 Menschen mit 20 Gerstenbroten satt.
Auch das ist schon enorm. Wir haben ja Sorge, dass unsere Gäste mit Braten und Nudeln und Klößen bei der Familienfeier vielleicht nicht satt werden. Wie absurd. Aber das Gefühl sitzt tief in uns, dass nicht genug da sein könnte.

Für manche - auch hier in Maintal - ist es bittere, gefährliche Realität: Die Inflation frisst das Geld auf, bevor der Monat zu Ende ist und der Kühlschrank bleibt leer. Und nun haben wir aktuell die sehr akute und realistische Sorge, dass nicht genug Gas vorhanden sein wird und wir uns auf einen kalten Winter einstellen müssen.

Als Kirchengemeinde haben wir zusätzlich die Sorge, dass die Zuweisungen aus den Kirchensteuern im nächsten Doppelhaushalt noch deutlich geringer ausfallen werden, als sie es jetzt schon sind. Seit diesem Jahr gibt es kein zusätzliches Geld mehr für die Renovierung von Gemeindehäusern. Nirgends in unserer Landeskirche.

Wir sitzen da und zählen und rechnen.
200 Silbergroschen. Das ist eine ganze Menge Geld. Ein Silbergroschen ist ein Tageslohn für einen Arbeiter.
Aber für 5000 reicht das nicht. Und hier wurden nur die Männer gezählt.

Fünf Gerstenbrote und zwei Fische. Gerste können sich auch die Armen leisten. Es war damals ein billiges Brot. Das ist wirklich, wirklich wenig, schon für eine Familie, aber für 5000 plus?

Wir zählen weiter:
Ein Kind, das diese Brote und Fische bringt. Kinder hatten damals nichts zu sagen. Sie waren und sind bis heute abhängig von den Erwachsenen, die gut oder nicht gut für sie sorgen.

Ein Prophet. Bedeutender als Elisa. So viel bedeutsamer, dass sechsmal ausführlich davon erzählt wird, wie viel größer das Brotwunder ist, das er vollbringt.
Ein Prophet, der nicht nur für seine eigenen Leute da ist, sondern auch für die vielen, die nicht zum engen Kreis gehören. Das ist Matthäus und Markus wichtig. Darum erzählen sie zusätzlich noch von den 4000 Menschen, die an einem anderen Ort gespeist werden.
Ein Prophet, den der Evangelist Johannes „Brot des Lebens“ nennt.
Den wir den Christus nennen. Mehr als ein Prophet. Wir zählen aus ihn als Der Eine, der Heil bringt. Frieden. Fülle.
Wir zählen:
5000 Männer, die hinter diesem Friedensbringer herlaufen, ihm nicht von den Fersen weichen. Die auch mal ein Abendessen dafür auslassen, von diesem Menschen Worte zu hören, die ihren Herzen Heilung bringen und ihrem Leib auch.

Wir zählen und rechnen und Mathematik bringt uns hier nicht weiter. Sie zeigt uns nur unsere Grenzen auf. Hier in dieser Wundergeschichte und hier in unseren Portemonnaies und Budgets.

Wir haben versucht, uns das Wunder zu erklären. Wir haben gesagt: Klar, die Leute hatten auch alle etwas zu Essen dabei und dann haben sie alles, was sie hatten, geteilt.
Und das mag sein. Und Teilen ist gut und wichtig. Ja, es ist notwendig.

Aber dies ist eine Wundergeschichte. Eine Gottgeschichte. Es geht nicht darum, eins und eins zusammenzuzählen.

Es geht darum zu stolpern: über ein Kind, das gestandenen Männern das Nährende bringt.
Wir sollen stolpern über einen Propheten, der Dank sagt über dem Wenigen.

Und es geht darum zu staunen: Über das Unerwartete. Es reicht nicht nur, es ist sogar viel zu viel da. 12 Körbe voll. Das ist göttliche Mathematik.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir, wenn wir als Kirchengemeinden, als Kirche insgesamt weiterhin beim Zählen des Mangels hängen bleiben, werden wir alle hungrig ausgehen. Zu wenig Leute, die sonntags in die Kirche gehen? Traurigkeit breitet sich aus. Zu wenig Geld fürs Heizen und fürs Gemeindehaus. Wir frieren und ackern ohne Perspektive.

Natürlich müssen wir rechnen. Sonst wären wir naiv. Aber lassen Sie uns mit neuen Variablen rechnen.
Lassen Sie uns Stolpern und mit den Kindern rechnen, die in einem eiskalten Gemeindehaus oder auch im Freien den ganzen vergangenen Winter über in Mänteln und Mützen neue Lieder auswendig gelernt haben und die trotz und mit Corona inzwischen das zweite Mal als Kinderchor der Evangelischen Kirchengemeinde Hochstadt aufgetreten sind. Diese Kinder singen während sie Malen und beim Einschlafen „Gott ist immer und überall da“ und „Du bist mein geliebtes Kind“ und „Der Herr ist auferstanden, Halleluja!“ und sie erinnern sich, dass sie auf einer großen Bühne standen und sich getraut haben, ihren Text aufzusagen und zu singen. Und ihre Eltern und Großeltern staunen und freuen sich und die Geschwister singen auch schon mit.
Wir zählen nach Gottes Weise und sehen: Die Körbe sind voll, über und über voll mit Liedern, Freude, Stolz und Mut.

Und lassen Sie uns Stolpern und Staunen, dass unsere 16 neuen Konfirmandinnen und Konfirmanden in ihrer ersten Konfi-Stunde hier vorne im Kirchhof in bunt gemischten Gruppen einträchtig Brotteig kneteten und sich dabei interessiert kennenlernten.
Am Ende buken sie kleine Pfannenbrote und steckten sie sich nicht sofort in den Mund, obwohl das sehr verlockend war. Ohne, dass wir sie im Team dazu aufforderten, buken sie alles fertig und dann wurde gegessen. Und am Ende dieser ersten Konfistunde gingen viele noch herum und fragten ihre neuen Mitkonfirmanden nach dem Namen, und schrieben sich den Namen auf.
Wir zählen nach Gottes Weise und sehen: Die Körbe sind voll mit Interesse aneinander, Neugier auf biblische Geschichten und ein Gefühl dafür, dass Brot teilen uns verbindet.

Sie erinnern sich sicher an den lebendigen Adventskalender, der im vergangenen Jahr an 23 Abenden von verschiedensten Menschen in Hochstadt – und ich sage bewusst nicht „in unserer Gemeinde“ ausgerichtet wurde, denn die aktive Beteiligung ging weit darüber hinaus. Die Begegnungen waren besonders, sie haben allen gut getan. Es haben sich jetzt schon viele von sich aus gemeldet, die dieses Jahr auch neu mitmachen wollen.

Wir zählen nach Gottes Weise und sehen: Die Körbe sind voll mit guten Erinnerungen und alltäglichen Begegnungen mit Menschen, die wir im vorigen Jahr noch nicht kannten, nun aber schon.

Zusammengezählt hatten übers Jahr sicher mehr als 5000 Mann Kontakt mit dieser Kirche, mit uns als Kirche, mit uns als Menschen.
Eine Fülle an Heil und Sättigung für Leib und Seele haben wir bereits in unseren Körben gesammelt.

Gottes Mathematik geht so:
Nicht 200 Silbergroschen, sondern noch viel weniger, nämlich fünf Gerstenbrote und zwei Fische reichten.
Es macht uns das Leben leichter, dieses Wunder zu glauben und darauf zu vertrauen.

Wir werden nicht den Mangel beklagen, sondern Dank sagen für das, was da ist. Wir werden die Fülle feiern, die wir durch Gottes Gegenwart geschenkt bekommen. Auf unserem Berg, unter freiem Himmel. Mit und unter Menschen, die wir kennen und noch nicht kennen, geschieht das Wunder immer wieder.

Und wenn es darum geht, ob wir Menschen unterstützen, deren Portemonnaie und/ oder Lebensgeist gerade sehr schmal ist und mit ihnen teilen was wir haben, dann brauchen wir dafür kein Wunder. Das können wir. Einfach so.

Pfarrerin Annegret Zander

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